Münster – Musik ist so unpolitisch wie der Fußball! Beide haben ja mit den gesellschaftlichen Zeitläufen so gar nichts zu tun. Meinen jedenfalls eine ganze Reihe von Leuten, die mit dieser ihrer Meinung just das genaue Gegenteil beweisen!
Was die Musik oder die Kunst im Allgemeinen angeht, kann sie sehr wohl höchst politisch sein und zeigt sich entweder als systemkonform oder kritisch bis oppositionell zu den Mächtigen. Manchmal ist sie beides, wie das Leben und Werk des russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch deutlich belegt. Seine 5. Sinfonie aus dem Jahr 1937, jetzt Hauptwerk des Konzerts mit dem Studentenorchester Münster im Messe- und Congress-Centrum Halle, Münsterland, muss man aber sozusagen zwischen den Zeilen lesen und hören. Dirigent Peter Schedding arbeitete in seiner Version mit dem Riesenapparat des Orchesters nicht nur die scheinbar „glatten“ und „gefälligen“ Seiten dieser Musik heraus, sondern auch und gerade das Widerborstige, Ironische.
Kleine, aber feine Details, die zu erspüren dem damaligen Diktator Stalin und seinen dumpfen Apparatschiks wohl kaum zuzutrauen gewesen sein dürfte. Freundlich lächelnde Volksmusik wird hier konterkariert mit „falschen“ Tönen, selig anmutenden Harmonien stellt der Komponist „schräge“ gegen über! Wohl dem, der diese Botschaft versteht! Schostakowitsch jedenfalls, der Jahre lang auf gepackten Koffern saß, um notfalls schnell zu flüchten, konnte sich mit seiner Sinfonie retten.
Nicht oppositionell, aber bodenständig blieb Alexander Arutjunjan, der 2012 hochbetagt gestorbene armenische Komponist, dessen Trompetenkonzert ihn unsterblich gemacht hat. Patricia Vörös nahm sich als Solistin diesem Werk mit bemerkenswerter Leichtigkeit und außerordentlicher Spielfreude an, hoch virtuos, kunstvoll – aber eben auch immer geerdet mit heimatlichen, armenisch gefärbten Klängen. Plädoyer für eine eigenständige Kultur, die nicht ins Meer eines von oben verordneten und vermeintlich „sowjetischen“ Kunstgeschmacks mündete. Ein großartiger Auftritt von Patricia Vörös, seit gut einem Jahr festes Mitglied im städtischen Sinfonieorchester Münster und dort ein echter Gewinn!
Ein Gewinn ist aber auch immer wieder Peter Schedding, der sein Studentenorchester zu Höchstleistungen inspiriert, wovon Beethovens Coriolan-Ouvertüre schon gleich anfangs Kunde gab: ein Orchester in Hochform, präzis, stets mit musikantischem Schwung und Gefühl für jede Menge rebellischer Zwischentöne.
Christoph Schulte im Walde, Westfälische Nachrichten, Freitag, 05.07.2024