Abschlussveranstaltung des Quantenjahres 2025
Münster – Kennen Sie Chien-Shiung Wu? Wahrscheinlich nicht. Der chinesisch-amerikanischen Physikerin gelang 1956 der Nachweis, dass bei der schwachen Wechselwirkung die Paritätserhaltung gerade eben nicht gilt! Aber sie kennen Wilhelm Hittorf? Schon eher. Der Namensgeber des münsterischen Gymnasiums war Physiker und entdeckte 1869 die Kathodenstrahlen. Doch Werner Heisenberg sollten Sie wirklich kennen! Er formulierte 1925 die Grundlagen der Quantenmechanik. Seitdem lässt sich begründen, warum die Sonne scheint, was Atome zusammenhält oder warum manche Dinge magnetisch sind und andere nicht. Damit revolutionierte der Physiker unser Weltbild. Darum ist es gut, sich mit der Physik zu beschäftigen. In der Schülerschaft des Gymnasium Paulinum kursieren seit Kurzem T-Shirts mit den Porträts von 100 Physikerinnen und Physikern wie Wu, Hittorf oder Heisenberg. 

Die jungen Leute haben sich mit diesen Stützen der Wissenschaft und ihrem Werk vertraut gemacht und darüber im Unterricht referiert. Der Respekt vor ihrer Lebensleistung dürfte enorm gestiegen sein. Die Physik-T-Shirts wurden als Chorkleidung von 160 Sängerinnen und Sänger der Schulchöre des Paulinum und des münsterischen Chors „Piano 22/30″ getragen, die an der Abschlussveranstaltung des „Quantenjahres 2025″ mitwirkten. Der von Susanne Schmitz und Margarete Sandhäger vorbereitete, von Jörg von Wensierski geleitete Chor hieß „Quantum100″ und sang die Uraufführung einer gleichnamigen Komposition von Yannick Paget, der auch das Studentenorchester Münster leitete. Der Text von Chris Mosdell ist eine Paraphrase des berüchtigten Robert-Oppenheimer-Zitats („Jetzt bin ich der Tod geworden“) und lautet hoffnungsvoll: Nun sind wir der Atem des Lebens geworden.“ Mit diesem Konzert endete das Festjahr, das mit über 200 Veranstaltungen die Entwicklung der Quantenphysik seit Werner Heisenberg würdigte. Was im Frühjahr in Berlin begann, endete nun mit 3000 begeisterten Gästen in der Halle Münsterland.

Warum in Münster? Weil es hier mit Prof. Dr. Stefan Heusler vom Institut für Didaktik der Physik der Universität einen besonders engagierten Gastgeber gibt. Und weilMünster als Friedensstadt weltweite Ausstrahlung besitzt, wie Heusler betont. Wie berichtet, war tags zuvor im Friedenssaal die „Erklärung für die Zukunft“ unterzeichnet worden. In diesem Dokument, das in Japan als „Münster-Deklaration“ große Beachtung findet, bekennen sich die Physikalischen Gesellschaften Japans und Deutschlands zur besonderen Verantwortung der Wissenschaft und warnen vor den Folgen nuklearer Rüstung.

Das hat Gewicht. Denn die 100 Jahre alte Quantenphysik wird immer noch vor allem mit dem Bau der Atombombe in Verbindung gebracht. „Wissenschaft bedeutet Verantwortung“ – diese Erkenntnis möchte Prof. Heusler als Fazit des Quantenjahrs verstanden wissen. Zugleich betont er: „100 Jahre sind erst der Anfang. Wir befinden uns in der zweiten Quantenrevolution!“ Die erste Quantenrevolution habe mit der Erfindung von Halbleitern und Lasern moderne Computertechnik und Bildgebung erst möglich gemacht. Revolution Nummer zwei geht mit dem Bau von Quantencomputern noch darüber hinaus, so der Experte. Besonders auf dem Gebiet der Medizintechnik seien in absehbarer Zeit große Fortschritte zu erwarten, wenn sich Molekülstrukturen genau berechnen und maßgeschneiderte Medikamente entwickeln lassen. 

Das Quantenjahr habe dem schwierigen Thema viel Aufmerksamkeit gebracht und Blicke über den Tellerrand ermöglicht, versichert Heusler. Das habe auch mit Wettbewerbsfähigkeit zu tun: Vor 100 Jahren war Deutschland auf dem Gebiet der Quantenphysik führend. Mittlerweile gehe es darum, weiterhin im Spiel zu bleiben.

Lukas Speckmann, Westfälische Nachrichten, Donnerstag, 20.11.2025