Münster – Wenn Musik von Arnold Schönberg oder Anton Webern auf dem Programm steht, soll es Menschen geben, die dies nur mit sehr spitzen Fingern anfassen. Aus Furcht vor allerlei schrägen Tonen, die da „drohen“. Das muss nicht sein, denn beide Meister haben als herausragende Vertreter der Zweiten Wiener Schule sich intensiv auch mit der Tradition beschäftigt, wie das Konzert mit dem Studentenorchester im Mutterhaus der Franziskanerinnen deutlich machte.

Johann Sebastian Bach in neuem Gewand, könnte man knapp sagen, denn sein Orgelpräludium nebst Fuge in Es-Dur hat Bach nie so hören können, wie Schönberg es in den 1920er Jahren orchestriert hat: mit Klarinetten, Tuba, Celesta, Englischhorn und, und, und.

Ebenso wenig das „Ricercar“ aus dem „Musikalischen Opfer“ in der Version von Anton Webern. Wer die Bachschen Originalversionen kennt, ist immer wieder erstaunt, was an Neuem, Überraschendem in der vermeintlich altbekannten Musik steckt. Dirigent Peter Schedding hat es auf wunderbare Weise geschafft, mit seinem teils riesengroß besetzten Orchester feine Details funkeln zu lassen, Strukturen zu offenbaren, die beispielsweise in der Es-Dur-Fuge auf der Orgel gewöhnlich untergehen, jedenfalls nicht so transparent durchscheinen wie hier beim hochkonzentrierten Spiel des Orchesters. Zumal der üppige Orchesterapparat dynamisch und auch hinsichtlich der Klangfarben viel flexibler ist und mehr kann als jede Orgel!

Ganz ähnlich im sechsstimmigen „Ricercare“, Bachs Huldigung an den Preußenkönig Friedrich dem Großen. Webern betrachtet es wie durch ein Kaleidoskop und schafft ständig changierende Klangbilder, ganz delikat gemacht – und eine Herausforderung für die kleine Orchesterbesetzung, bei der fast jede Stimme quasi solistisch fungiert. Was Peter Schedding und seine Leute auf dem Podium da leisteten, genügte locker den Maßstäben, die man professionellen Ensembles anlegt.

Dann Johannes Brahms, Inbegriff einer geerdeten sinfonisch-romantischen

Klangsprache! Geerdet deshalb, weil auch Brahms sich der Tradition vergewisserte, aus der er kam. Mit der Konsequenz, dass Brahms vielen seiner Zeitgenossen als veraltet galt. Falsch, wie gerade die 3. Sinfonie aus dem Jahr 1883 zeigt! Und ein Paradebeispiel für das, was als Motto über diesem Benefizkonzert zugunsten des Johannes-Hospiz stand: Emotional-rational“. Nur ein scheinbarer, nur ein behaupteter Antagonismus, den Brahms durch seine Musik widerlegt. Motivische Arbeit im Kleinen, Reminiszenzen an den (Bachschen) Kontrapunkt, tief empfundene Melodien wie im Allegretto-Satz ergeben am Ende ein rundes Ganzes. Für Arnold Schönberg galt Johannes Brahms als „der Fortschrittliche“. Auch ohne Kenntnis seiner kompositorischen Techniken ist es einfach ein Erlebnis, diese Sinfonie und auch die eingangs präsentierte Akademische Festouvertüre zu hören. Mit allen Emotionen!

Christoph Schulte im Walde, Westfälische Nachrichten, Samstag, 25.01.2025