MÜNSTER. Wer die Wissenschaftssendung „Quarks & Co.“ aus dem Fernsehen kennt, wird den „Jingle“, also die Musik, mit der das Magazin eröffnet wird, blitzschnell wiedererkannt haben. Und zwar bei den Konzerten des Studentenorchesters am Dienstag und Donnerstag im Congresssaal der Halle Münsterland! Es ist ein markantes Motiv aus den drei „Sinfonischen Tänzen“, die Sergej Rachmaninow 1941, kurz vor Ende seines Lebens, in Amerika komponiert hat. Allzu häufig sind diese Tänze nicht in ihrer Gesamtheit zu hören. Kein Wunder, sind sie stellenweise doch ganz schön haarig. Aber war davon etwas zu erahnen, als Nicolas Kierdorf seinen Taktstock hob? In keinem Augenblick! Denn das Orchester spielte mit einer Perfektion, mit einer Hingabe, mit Leidenschaft und vor allem Temperament, dass es einem den Atem verschlug. Sensationell! Das war so ziemlich das Beste, was dieses üppig besetzte Ensemble seit Jahren vorgelegt hat. Und zwar durch alle Instrumentengruppen hindurch. Wobei die zurückliegenden Konzerte im Juli letzten und Januar diesen Jahres auch schon überaus erfreulich waren.

Rachmaninow findet Takt für Takt inspirierte und inspirierende Klänge, ob knackig wie im ersten oder elegisch wie im zweiten Satz. Im finalen „Allegro vivace“ geht es dann richtig zur Sache: vertrackte Rhythmen, das Hin und Her zwischen Streichern, Solo- Bläsern und groß besetztem Schlagwerk. Etwas für Profis! Oder halt für das Studentenorchester, das hier eine Meisterleistung vollbrachte. Mit Nicolas Kierdorf als Fels in der Brandung. Eleganz, Präzision und jede Menge Musikalität mischen sich in seinem Dirigat, er animiert sein Orchester ganz vortrefflich. Das war schon gleich eingangs deutlich spürbar, als Franz Schuberts „Unvollendete“ auf den Notenpulten lag. Ein Werk, das zwischen Traurigkeit und freundlichem Sonnenschein changiert. Auch ein Werk, das hohe Konzentration und akribische Sauberkeit verlangt. Nicolas Kierdorf ruft dergleichen offensichtlich und buchstäblich im Handumdrehen bei seinem Orchester ab. Das ist beeindruckend! Schade, dass Kierdorf nach anderthalb Jahren das Studentenorchester verlassen muss. Er wird nach dem Sommer 2023 Kapellmeister am Staatstheater Darmstadt. Eines ist sicher: von diesem Dirigenten wird man ganz ohne Zweifel noch viel hören!

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Christoph Schulte im Walde, Westfälische Nachrichten, Samstag, 08.07.2023