Münster – Spannende Geschichten, meisterhafte Musik – das Studentenorchster sorgt in der Mutterhauskirche der Franziskanerinnen mit der Solistin Anna-Lena Elbert für ein professionelles Semesterabschlusskonzert.

„Welten.Wandel“ stand als Motto über dem Semesterabschlusskonzert des Studentenorchesters am Mittwochabend. Vielleicht trifft dieses Wortpaar genau den Beweggrund, der Gustav Mahler zu seiner Musik inspiriert hat. Weltenwandel als Weg hin zu der noch uneingelösten Vision dessen, was Glück oder Einklang mit der Natur sein könnte. Sie scheint vage in einigen der „Wunderhorn-Liedern“ auf. Ebenso spricht aus ihnen ein Unbehagen Mahlers, die Erfahrung des Leidens an der Welt, ohne gleich in falsche Reminiszenz an vermeintlich früher bessere Zeiten zu verfallen. All das steckt in der „Verlornen Müh“, in „Wer hat dies Liedel erdacht?“ oder dem zwiespältigen Gesang des Soldaten über „die schönen Trompeten“.

Spannender Kontrast

Anna-Lena Elbert als Solistin ging diesen existenziellen Gedanken auf den Grund. Mit schönem, leicht abgedunkeltem und dynamisch sehr flexiblem Sopran, ganz subtil umspült vom Orchesterklang. Dirigent Nicolas Kierdorf schuf hier ein ebenso feinsinniges Stimmengewebe wie in den Sätzen aus Leoš Janáčeks Suite für Streicher, die den Mahler-Liedern zwischengeschaltet waren. Ein spannender Kontrast zwischen dem harmonisch kühnen Mahler und dem hier noch an Smetana und Wagner erinnernden jungen Janáček. Die Spannung war in jedem Moment in der Mutterhauskirche der Franziskanerinnen greifbar, unterstützt durch Bildprojektionen von Elisa Philipps.

Animierte Bilder begleiteten auch Antonín Dvořáks märchenhafte „Mittagshexe“, eine von Nicolas Kierdorf und seinem in glänzender Form spielenden Orchester packend inszenierte Geschichte mit tragischem Ausgang: Ein ungezogenes Kind wird zur Beute der Hexe.

„Aus der Neuen Welt“

Weitaus optimistischer klang Dvořáks Neunte, die „Sinfonie aus der Neuen Welt“. Der Wunsch der Amerikaner, die Dvořák eingeladen hatten, er möge ihnen eine eigenständige Musikkultur kreieren, war wohl etwas zu hoch gegriffen, ist hier doch viel Böhmisches zu hören. Einerlei: Die vier Sätze strotzen vor Vitalität auf der einen, vor wehmütiger Melodienseligkeit auf der anderen Seite. Alles ohne Effekthascherei, ohne Zuckerguss, stattdessen motivisch dicht und raffiniert gearbeitet – ein überaus anspruchsvolles Werk, in dem neben den Streichern vor allem Holz- und Blechbläser immer wieder gefordert sind. Was das Studentenorchester in dieser Hinsicht zu bieten hatte, erfüllte mühelos alle professionellen Maßstäbe. Kurzum: eine Meisterleistung!

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Christoph Schulte im Walde, Westfälische Nachrichten, Donnerstag, 26.01.2023