Harsewinkel (sek) – Schon lange vor Beginn des Konzerts mit dem Studentenorchester Münster und der Solistin Anna-Lena Elbert sah man die 700 Besucher in den hell erleuchteten Technoparc bei Claas eilen. Überraschungen sollte es genügend geben an diesem Abend.
Musik trifft auf künstliche Intelligenz
Das einzigartige Konzert stand unter dem Thema „Welten. Wandel.“ und erinnerte ein wenig an die so oft zitierte „Zeitenwende“. An diesem Abend stand jedoch die Musik im Mittelpunkt, wobei nicht nur die drei Komponisten bereit zum Wandel waren, sondern auch das Orchester und der Dirigent, die mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeiteten.
Ein spannendes Experiment, bei dem sich die Zuhörer in fünf Liedern aus Gustav Mahlers „Des Knaben Wunderhorn“ erstaunt einließen. Vereinfacht dargestellt wurden KI-generierte Bilder, die durch Schlagworte aus den Texten entstanden, parallel zur Musik an die Wand projiziert.
Stimme der Sopranistin ein Wohlklang
Kierdorfs genialer Einfall, Sätze aus Leos Janaceks „Suite für Streichorchester“ im Wechsel der Lieder zu spielen, verstärkte das unbeschreibliche Gesamterlebnis. Von besonderem Reiz sind die hoch emotionalen Lieder, die das menschliche Leben vielschichtig abbilden – ob im innigen Liebeslied, makabrer Kriegsszenerie oder jugendlichem Liebesglück.
Mit scheinbarer Leichtigkeit überzeugt die Sopranistin Anna-Lena Elbert mit ihrer satt timbrierten, jugendlich frischen Stimme. Ein Höhepunkt vielleicht „Das himmlische Leben“ aus Mahlers vierten Sinfonie, wo Elbert mit souverän nuancierter Wohlklang vollends überzeugte.
Sphärenklänge und morbide Hexentänze
Mit der „Mittagshexe“ entführt Antonin Dvorák in eine grausame Geschichte aus der Märchenwelt. Voller Dramatik ist die Musik, die schwarz-weiße animierte Illustrationen Elisa Philipps verstärkt wird. Penetrante Oboenklänge charakterisieren das unartige Kind.
Als suggestiver Gestalter erweist sich Nicolas Kierdorf und lässt sich kaum an Spannung überbieten, wenn jenseitig anmutende Klänge beim Auftauchen der Hexe ertönen. Einen Schauer über den Rücken jagt die Unmittelbarkeit des kurzen morbiden Tanzes der Hexe, bevor Sphärenklänge den Tod des Kindes symbolisieren und sie nochmals lautstark triumphiert. Mit glühender Hingabe gespielt. Bravo.
Bravorufe und langer Applaus
Vor genau 130 Jahren erlebte Antonín Dvorák 1893 die Uraufführung seiner Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 in der Carnegie Hall in New York. Besser bekannt unter dem Namen „Aus der Neuen Welt“, denn dorthin wurde der Komponist aus Prag eingeladen und wunderte sich, dass sein Werk so stürmisch gefeiert wurde.
Wie im Technoparc von Claas, wo das Publikum von einem derart perfekten Zusammenspiel des Dirigenten Kierdorf und seinem bestens aufgestellten Orchester mitgerissen wurde, dass der von Bravorufen begleitete Applaus kein Ende nehmen wollte.
Großartige Soli
Leidenschaftlich und doch mit sparsamer Gestik lässt Kierdorf jedes Detail nachzeichnen und kommt so der farbenreichen Instrumentierung des Komponisten entgegen. Exakt und blitzesauber sind die Einsätze. Großartig sind das berühmte, wehmütige Solo des Englischhorns im Largo und das lyrische Klarinettenthema im temporeichen Finale. Unüberhörbar ist der „amerikanische Klang“, sind die Einflüsse amerikanischer Volkslider, die Dvorák mit heimatlichen, böhmischen Klängen verwebt.Heinz Petermann (links) überreichte Hanno Schmidt-Román zum Abschied einen klingenden Notenschlüssel zum Ruhestand.
„War das ein Parforceritt, in dem so viel Feuer steckte!“ Passende Worte von Hanno Schmidt-Román (Leiter Vertrieb und Marketing bei Claas), der seit 1996 auf 14 Konzerte bei Claas organisierte Konzerte und eine „wunderbare Zeit“ zurückblickte.
Verabschiedung von Hanno Schmidt-Román
Großes Lob zollte er Kierdorf für sein mutiges Programm und dem Orchester für die brillante Leistung. Wenn sich Schmidt-Román traditionsgemäß mit dem Modell eines Xerion Traktors für das außergewöhnliche Konzert beim Dirigenten Kierdorf bedankte, dann war es Heinz Petermann vom Kubi Harsewinkel, der den Organisator mit einem klingenden Notenschlüssel in den Ruhestand verabschiedete.
Nicht ohne sein großes Engagement, seine immer treffenden Worte und die gute Zusammenarbeit mit dem Kultur- und Bildungsverein Harsewinkel hervorzuheben. Als Dank erfüllte das Studentenorchester mit der Zugabe Schmidt-Románs Wunsch mit einem berauschenden Ohrwurm, dem vierten Satz aus Hector Berlioz Suite „L’ Arlesienne“. Kann man mehr Spaß haben an Musik?
Westfalen-Blatt, 22.01.2023